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Jusletter 29. Oktober 2012

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Liebe Leserinnen und Leser

Am 1. Juli 2012 ist der revidierte Art. 8 UWG in Kraft getreten. Erstmals wurde damit für die Schweiz eine Norm geschaffen, die eine echte AGB-Inhaltskontrolle ermöglicht. Der Wortlaut der Vorschrift ist allerdings nicht wirklich geglückt. Unklar ist insbesondere, ob und inwiefern sich die einzelnen Tatbestandselemente bei der Prüfung inhaltlich sinnvoll trennen lassen und in welcher Weise sie sich aufeinander beziehen. Prof. Dr. Florent Thouvenin untersucht die wesentlichen Fragen zur Struktur von Art. 8 UWG: Wie ist der Begriff des «erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses» auszulegen? Wann liegt ein Verstoss gegen Treu und Glauben vor? Wie ist der Begriff des Konsumenten zu verstehen welche Regelung gilt übergangsrechtlich?

Abgewiesene Asylsuchende dürfen nach Art. 43 Abs. 2 AsylG keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Laut Urteil des Bundesgerichts vom 26. April 2012 ist diese Vorschrift in ausserordentlichen Fällen nicht mit dem Grundsatz aus Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) vereinbar. Dr. Tobias Grasdorf-Meyer kommentiert das Urteil im Hinblick auf die problematische Kombination von Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber und dem fehlenden Rechtsschutz im Bereich der Härtefallbewilligungen. (Vgl. auch Ruth Beutler, Nothilfe und Arbeitsverbot, in: Digitaler Rechtsprechungs-Kommentar, Push-Service Entscheide, publiziert am 7. September 2012.)

Auch Prof. Dr. Valérie Junod beschäftigt sich mit der Problematik der Vereinbarkeit eines Verbotes mit Art. 8 EMRK. Im Fall Costa und Pavan gegen Italien vom 28. August 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass ein vollständiges Verbot einer Präimplantationsdiagnostik unverhältnismässig sein kann. Diese Entscheidung hat gerade im Hinblick auf die geplante Revision des Bundesgesetzes über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung auch auf die Schweiz Einfluss.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.

 

Simone Kaiser sarah montani
Simone Kaiser Sarah Montani
RA, Stv. Verlagsleiterin
Leiterin Jusletter
Mitinhaberin Weblaw AG

 

 

 Inhaltsverzeichnis
 
Wissenschaftliche Beiträge
Florent Thouvenin, Art. 8 UWG: Zur Strukturierung eines strukturlosen Tatbestandes
 
Urteilsbesprechungen
Tobias Grasdorf-Meyer, Abgewiesene Asylbewerber und das Recht auf Arbeit
Valérie Junod, Un pas supplémentaire vers le diagnostic préimplantatoire
 
Aus dem Bundesgericht
Jurius, Flughafen Genf: 20 freie Sonntage bis Ende 2013 genehmigt
Jurius, Sozialversicherung: Architekt muss keine AHV auf Dividende zahlen
Jurius, Rauchverbot: Kein Aufschub für Basler «Fümoar»-Beizen
 
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Jurius, Schwerverkehrsabgabe: LSVA-Erhöhung 2009 unzulässig
 
Medienmitteilungen
Jurius, Bankeninsolvenzverordnung-FINMA tritt in Kraft
Jurius, Bundesrat setzt Postorganisationsverordnung in Kraft
Jurius, Totalrevision der Org-VöB
Jurius, WAK-N: Neues Gesetz zu Versicherungsverträgen geht zu weit
Jurius, Flankierende Massnahmen: WAK-N für Solidarhaftung auf dem Bau
Jurius, RK-S: Indiskretions-Strafnorm soll aufgehoben werden
Jurius, RK-S: Mehr Angaben in Betreibungsregisterauszügen

 


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Wissenschaftliche Beiträge

Prof. Dr. Florent Thouvenin
Mit dem neuen Art. 8 UWG verfügt die Schweiz erstmals über eine gesetzliche Grundlage für eine AGB-Inhaltskontrolle. Die Formulierung des Tatbestands ist allerdings wenig geglückt. Unklar ist namentlich, ob und inwiefern sich die einzelnen Tatbestandselemente voneinander trennen lassen und in welcher Weise sie sich aufeinander beziehen. Ziel dieses Beitrags ist es, dem Tatbestand von Art. 8 UWG eine Struktur zu entnehmen, die als Leitlinie für die Anwendung der neuen Norm bei der Prüfung von AGB dienen kann.
Rechtsgebiete: Privatrecht; Konsumentenrecht; Wirtschaftsstrafrecht (UWG, Kartellgesetz, BankG, BEHG)
deutsch, ca. 10759 Wörter

Urteilsbesprechungen

Dr. Tobias Grasdorf-Meyer
Im BGE 2C_459/2011 vom 26. April 2012 kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass das Arbeitsverbot für abgewiesene Asylsuchende nach Art. 43 Abs. 2 AsylG in ausserordentlichen Fällen nicht mit dem Anspruch auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK vereinbar ist. Die Pirouetten, die das Bundesgericht in der Begründung und im Urteilsspruch vollführt, weisen auf Mängel im schweizerischen Ausländer- und Asylrecht hin. Zu Problemen führt vor allem die Kombination von Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber und fehlendem Rechtsschutz im Bereich der Härtefallbewilligungen.
Rechtsgebiete: Ausländer- und Asylrecht; Menschenrechte
deutsch, ca. 3684 Wörter

Prof. Dr. Valérie Junod
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erachtet die in Italien geltende rechtliche Regelung, welche Präimplantationsdiagnostik (PID) in vitro vollständig verbietet und gleichzeitig die Pränaltadiagnostik mit der Möglichkeit der Abtreibung von erkrankten Föten zulässt, als inkohärent. Das kürzlich ergangene Urteil des EGMR hat Auswirkungen auf die Schweiz, welche mittels einer Revision des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) versucht, das aktuell geltende absolute Verbot der PID zu lockern. (bk)
Rechtsgebiete: Fortpflanzungsmedizin; Grundrechte
französisch, ca. 7389 Wörter

Aus dem Bundesgericht

Jurius
BGer – Der Flughafen Genf darf seinem Bodenpersonal zumindest bis Ende 2013 nur 20 freie Sonntage gewähren. Laut Bundesgericht sind entsprechende Ausnahmebewilligungen für die Schweizer Flughäfen zwar nicht rechtskonform. Entscheiden soll aber der Bundesrat. (Öffentliche Beratung im Verfahren 2C_149/2012)
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht
deutsch, ca. 285 Wörter

Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat es der Obwaldner Ausgleichskasse verwehrt, die überhöhten Dividendenbezüge eines Architekten als AHV-pflichtigen Lohn zu behandeln. Laut Gericht sind im konkreten Fall die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen nicht erfüllt. (Urteil 9C_669/2011)
Rechtsgebiete: Sozialversicherungsrecht
deutsch, ca. 346 Wörter

Jurius
BGer – In zwei Basler «Fümoar»-Beizen darf nicht geraucht werden, auch wenn das Bundesgericht in ihrem Verfahren noch nicht definitiv entschieden hat: Das Gericht hat den Beschwerden der zwei Gastrobetriebe die aufschiebende Wirkung verweigert. (Verfügung im Verfahren 2C_911/2012)
Rechtsgebiete: Rechtsgleichheit. Verfahrensgarantien. Willkürverbot; Polizei- und Ordnungsrecht
deutsch, ca. 277 Wörter

Aus dem Bundesverwaltungsgericht

Jurius
BVGer – Die Erhöhung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) im Jahr 2009 ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht zulässig. Das Gericht hat zwei Transportfirmen Recht gegeben. Das letzte Wort könnte das Bundesgericht haben. (Urteile A-268/2012 und A-276/2012)
Rechtsgebiete: Andere Steuern. Abgaben u. Gebühren
deutsch, ca. 325 Wörter


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In der letzten Woche wurden im Digitalen Rechtsprechungs-Kommentar (dRSK) folgende Beiträge publiziert.
Christoph Brunner, Passivlegitimation / Durchgriff
(Kommentar von Urteil 4A_58/2011 vom 17.06.11)
Kaspar Plüss, Fristsäumnis während angekündigten Anwaltsferien
(Kommentar von Urteil D-3512/2012 vom 20.07.12)
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Medienmitteilungen

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Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA ersetzt am 1. November 2012 die bestehende Bankenkonkursverordnung-FINMA durch die neue Bankeninsolvenzverordnung-FINMA. Die neue Verordnung vereinigt die Ausführungsbestimmungen zum Sanierungs- und Konkursverfahren von Banken und Effektenhändlern in einem Erlass. Sie vervollständigt die schweizerische Gesetzgebung im Bereich des Insolvenzrechts und der Krisenvorsorge und erfüllt die internationalen Anforderungen.
Rechtsgebiete: Bankrecht
deutsch, ca. 220 Wörter

Jurius
Der Bundesrat hat beschlossen, die Postorganisationsverordnung per 1. Dezember 2012 in Kraft zu setzen. Sie enthält insbesondere Bestimmungen für die Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft und zum Verhältnis zwischen dem Bund als Besitzer der Post und dem Unternehmen.
Rechtsgebiete: Postwesen
deutsch, ca. 129 Wörter

Jurius
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 24. Oktober 2012 eine Totalrevision der Verordnung über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens des Bundes (Org-VöB) verabschiedet. Diese tritt auf den 1. Januar 2013 in Kraft.
Rechtsgebiete: Vergaberecht
deutsch, ca. 224 Wörter

Jurius
Die Totalrevision des über 100-jährigen Versicherungsvertragsgesetzes lässt weiter auf sich warten. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) will den Entwurf, der Verbesserung für Versicherte gebracht hätte, zurück an den Bundesrat schicken.
Rechtsgebiete: Privatversicherungsrecht
deutsch, ca. 153 Wörter

Jurius
Die Solidarhaftung auf dem Bau als Mittel gegen Lohndumping stösst auch bei der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) auf Zustimmung. Unternehmen sollen für ihre Subunternehmen gerade stehen, wenn diese Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen missachten.
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht; Ausländer- und Asylrecht; Bilaterale Abkommen CH-EU
deutsch, ca. 381 Wörter

Jurius
Die Veröffentlichung geheimer Dokumente soll nicht mehr bestraft werden. Die umstrittene Strafnorm richtet sich meist gegen Medienschaffende. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-S) stimmte einer entsprechenden parlamentarischen Initiative knapp zu.
Rechtsgebiete: Straftaten gegen Ehre, Geheim- und Privatbereich; Medienrecht
deutsch, ca. 139 Wörter

Jurius
Ein Betreibungsregisterauszug soll künftig anzeigen, ob eine Person unter Vormundschaft steht. Nach der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat auch jene des Ständerates (RK-S) einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Folge gegeben.
Rechtsgebiete: SchKG; Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Vormundschaft / Erwachsenenschutz
deutsch, ca. 125 Wörter


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Untersuchungsbeamtin / Untersuchungsbeamter; Eidgenössische Spielbankenkommission ESBK; Bern
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Jurist/in mit Schwerpunkt Rechtsetzung; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD; Bern
Rechtsanwalt / Rechtsanwältin (100%); GHR Rechtsanwälte AG; Muri b. Bern
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Juristin/ Jurist mit Schwergewicht Strassenverkehrs- und Strafrecht; Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG; Bern
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Juristin / Juristen 100%; Sozialdepartement der Stadt Zürich; Zürich
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Juristen/Juristin; HDI - Gerling Industrie Versicherung AG; Zürich
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Vorschau

Jusletter 5. November 2012

Peter Uebersax, Vom Ausland in die Schweiz – Auf dem Weg zu einer schengen- und menschenrechtskonformen Visums- und Einreiseregelung
Daniel Jositsch / Michelle Richner, Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches – Würdigung der geplanten Änderungen des Sanktionensystems
Franz Riklin, Zur geplanten Änderung des Sanktionenrechts im Schweizerischen Strafgesetzbuch (Botschaft vom 4. April 2012, BBl 2012 4721)
Rolf Kuhn, Erwerbstätigkeit und Steuerpflicht von sog. «Drittstaatenangehörigen» in der Schweiz

 

Hinweis: Die Vorschau weist jeweils auf einige in der nächsten Ausgabe erscheinende Beiträge hin. Änderungen bleiben vorbehalten.

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