Jusletter 15. Februar 2010
Schwerpunkt-Ausgabe Kindesrecht


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«Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Ungerechtigkeit.»
Charles Dickens


Liebe Leserinnen und Leser

Sie haben hier eine Schwerpunkt-Ausgabe von Jusletter vor sich, die dem Kindesrecht gewidmet ist. Dieses hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gewandelt. So werden heute die Bedürfnisse der Kinder und ihr Wohlergehen bei familienrechtlichen Fragen in den Vordergrund gerückt und sie in entsprechende Verfahren eher mit einbezogen. Damit soll eine für das Kind verständliche und nachvollziehbare, und damit in seinen Augen gerechte Lösung gefunden werden.

Zuerst untersuchen RA Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Hausheer und Michel Verde die Voraussetzungen des Mündigenunterhalts. Der Unterhaltsanspruch des Kindes bleibt auch bei Erreichen des Mündigkeitsalters bestehen, sowie es noch keine angemessene Ausbildung abgeschlossen hat und die Unterhaltsleistung den Eltern zugemutet werden darf. Dadurch soll ihm die spätere wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglicht werden.

Danach nimmt sich RA Prof. Dr. Andreas Bucher dem Thema Kindesentführungen an. Einige schwierige und zum Teil dramatische Fälle haben in jüngster Zeit gezeigt, dass die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1980 nicht immer überzeugt. Das neue Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen (BG-KKE), das am 1. Juli 2009 zusammen mit den beiden Haager Schutzabkommen in Kraft getreten ist, soll hier Verbesserungen bringen.

Weiter untersucht Prof. Dr. Alexandra Rumo-Jungo den Vorentwurf und den geplanten Entwurf des Bundesrates zur Einführung der gemeinsamen elterlichen Sorge geschiedener und unverheirateter Eltern. Es zeichnet sich ab, dass diese – zumindest für geschiedene Eltern – im Rahmen der Revision des Zivilgesetzbuches eingeführt werden wird. Die Entscheidung über die elterliche Sorge soll damit nicht mehr dem Positionskampf der Eltern in der Scheidung überlassen werden, sondern zugunsten der Kindesinteressen als Regelfall vorgegeben werden.

Auch der Beitrag von Prof. Dr. Wilhelm Felder handelt von der gemeinsamen elterlichen Sorge, jedoch aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht. Der Autor plädiert für die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall, was jedoch voraussetzt, dass beide Elternteile erzieherische Funktionen übernehmen können und wollen. Dabei legt er auch grossen Wert auf die Meinung des Kindes und seine altersgerechte Befragung zur Sachverhaltsermittlung.

Schliesslich verdeutlicht Bruno Roelli anhand eines konkreten Beispiels die Gefahr, die von einem nur punktuellen Gutachten zu den strittigen Punkten ausgehen kann. Sollen Geschwister voneinander getrennt werden, so kann die Kinderanhörung auch eines noch nicht sechsjährigen Kindes und der vom Zuteilungsstreit nicht betroffenen Kinder Sinn machen. Nur auf diese Weise ist das Gericht in der Lage, die Familiensituation als Ganzes mit der Interaktion der Geschwister untereinander zu erfassen, und damit die Sachverhaltslücke zu schliessen.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche.

Nils Güggi    Thomas Schneider
Verlagsleiter Weblaw AG    Projektleiter Jusletter
 Inhaltsverzeichnis
 
Wissenschaftliche Beiträge
Heinz Hausheer / Michel Verde, Mündigenunterhalt
Andreas Bucher, Kindesentführungen: Neuigkeiten in Gesetz und Praxis
   
Kurzbeiträge
Alexandra Rumo-Jungo, Gemeinsame elterliche Sorge geschiedener und unverheirateter Eltern
Wilhelm Felder, Die gemeinsame elterliche Sorge aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht
Bruno Roelli, Von einer unseligen Gutachterin und der rettenden Kinderanhörung
   
Aus dem Bundesgericht
Jurius, Bedingungen für Familiennachzug erneut gelockert
Jurius, Bundesgericht hält weitere Minarett-Beschwerde für unzulässig
Jurius, Witwe eines Asbest-Opfers verliert Prozess gegen Suva
Jurius, Härteres Urteil gegen Tankstellenräuber verlangt
Jurius, Streit um YB-Vermarktung landet nochmals vor Handelsgericht
   
Aus dem Bundesverwaltungsgericht
Jurius, Rüge für sofortige Wegweisung von Asylsuchenden in Dublin-Staaten
   
Pressemitteilungen
Jurius, Kein Fahrausweisentzug für säumige Steuerzahler
Jurius, Freie Wahl der Set-Top-Box
Jurius, SPK-N: Alte Fronten zur erleichterten Einbürgerung für dritte Generation
Jurius, SPK-N: Schranken für Notrecht des Bundesrats in Krisensituationen
Jurius, Vergabe an Microsoft: Vier Departemente wollen neues Betriebssystem
Jurius, Bedingter Rückzug der Volksinitiative «Lebendiges Wasser»

 


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 Wissenschaftliche Beiträge go to top

 

Prof. Dr. Heinz Hausheer / Michel Verde
Erreicht ein Kind das Mündigkeitsalter, bleibt sein Unterhaltsanspruch zwar bestehen, jedoch nur soweit es noch keine angemessene Ausbildung erhalten hat und die Unterhaltsleistung den Eltern zugemutet werden darf. Mit dem Mündigenunterhalt soll dem Kind ermöglicht werden, eine Berufsausbildung zu erlangen, die es ihm erlaubt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und wirtschaftlich selbständig zu werden. Mit der Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf das 18. Lebensjahr hat die praktische Bedeutung des Mündigenunterhalts zugenommen.
Rechtsgebiete: Familienrecht. Eherecht
deutsch, ca. 10255 Wörter


Andreas Bucher
Einige schwierige und zum Teil dramatische Fälle haben in jüngster Zeit gezeigt, dass die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1980 nicht immer überzeugt. Das neue Bundesgesetz (BG-KKE), das am 1. Juli 2009 zusammen mit den beiden Haager Schutzabkommen in Kraft getreten ist, soll hier Verbesserungen bringen. In Anbetracht eines wichtigen Urteils vom 16. April 2009 ist auch das Bundesgericht bereit, sich auf neue, dem Kindeswohl näher stehende Wege zu begeben, die auch mehr Verständnis für die manchmal sehr schwierige Situation der heute als Entführer im Vordergrund stehenden Mütter erkennen lassen.
Rechtsgebiete: Familienrecht. Eherecht; IPR
deutsch, ca. 11764 Wörter

 

 Kurzbeiträge go to top

 

Alexandra Rumo-Jungo
Die gemeinsame elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter und geschiedener Eltern soll im Sinn eines Leitbilds als Regelfall eingeführt werden. Die gemeinsame elterliche Sorge soll mithin unabhängig vom Status der Eltern gelten. Gericht bzw. Vormundschaftsbehörde sollen aber von Amtes wegen die Kindeswohlverträglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge sowie der ihr zugrunde liegenden elterlichen Vereinbarung über die Obhut sowie den persönlichen Verkehr überprüfen können. Diese Klärung setzt – nach wie vor – eine Anhörung der betroffenen Kinder voraus.
Rechtsgebiete: Familienrecht. Eherecht
deutsch, ca. 5525 Wörter


Wilhelm Felder
Der Autor unterstützt die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall, auch wenn keine empirische Evidenz vorliegt, dass dies zu einer Reduktion der Nachscheidungskonflikte führt. Aus seiner Sicht ist zwingende Voraussetzung für die gemeinsame elterliche Sorge, dass beide Eltern effektiv willens und in der Lage sind, erzieherische Funktionen zu übernehmen und nicht nur eine emotionale Beziehung zu ihren Kindern pflegen wollen. Ausschlusskriterium ist ein asymmetrischer Nachscheidungskonflikt. Die professionelle Anhörung der Kinder und deren Protokollierung wird gefordert.
Rechtsgebiete: Familienrecht. Eherecht
deutsch, ca. 2746 Wörter


Bruno Roelli
Sollen Geschwister voneinander getrennt werden, kann es Sinn machen, auch ein noch nicht sechsjähriges Kind und die vom Zuteilungsstreit nicht betroffenen Kinder anzuhören. Es soll die Familiensituation als Ganzes mit der Interaktion der Geschwister untereinander erfasst werden. Ein Gutachten zur Frage der Kinderzuteilung soll sämtliche Familienmitglieder in die Abklärung miteinbeziehen, den Abklärungsverlauf dokumentieren und Aussagen über das Verhältnis der Beteiligten untereinander machen. Genügt ein Gutachten diesen elementaren Anforderungen nicht, kann die Anhörung der Kinder im erwähnten Sinne die Sachverhaltslücke schliessen.
Rechtsgebiete: Familienrecht. Eherecht
deutsch, ca. 3512 Wörter

 

 Aus dem Bundesgericht go to top

 

Jurius
BGer – Das Bundesgericht hat die Bedingungen für den Familiennachzug im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens erneut gelockert. Es erlaubt zwei Kindern aus dem Kosovo, zu ihrem Vater zu ziehen. Dieser ist in der Schweiz mit einer Französin verheiratet. (BGE 2C_269/2009)
Rechtsgebiete: Ausländer- und Asylrecht
deutsch, ca. 137 Wörter


Jurius
BGer – Das Bundesgericht ist auf eine weitere Beschwerde gegen die Anti-Minarett-Initiative nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer hatte «staatsgefährdende Propaganda» geltend gemacht. (Urteil 1C_33/2010)
Rechtsgebiete: Politische Rechte; Grundrechte
deutsch, ca. 173 Wörter


Jurius
BGer – Die Suva muss der Witwe eines Asbest-Opfers keine Genugtuung zahlen. Das Bundesgericht wies die Forderung der Frau als verjährt zurück, obwohl sie diese fünf Tage nach dem Tod ihres Ehemannes eingereicht hatte. (Urteil 8C_470/2009)
Rechtsgebiete: Energie- und Umweltrecht
deutsch, ca. 445 Wörter


Jurius
BGer – Das Bundesgericht verlangt eine härtere Bestrafung von jungen Tankstellenräubern. Es hob ein Urteil des Zürcher Obergerichts auf. Als bundesrechtswidrig bezeichnete das Bundesgericht die rechtliche Würdigung von Raubdelikten durch die Vorinstanz. (Urteil 6B_737/2009)
Rechtsgebiete: Straftaten gegen das Vermögen; Strafen und Massnahmen
deutsch, ca. 259 Wörter


Jurius
BGer – Der Streit zwischen der Stade de Suisse AG und der Zürcher Sportvermarkterin V+F AG um die Vermarktung des BSC Young Boys gelangt ein zweites Mal vors bernische Handelsgericht. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Berner teilweise gutgeheissen. (Urteil 4A_401/2009)
Rechtsgebiete: OR allgemeiner Teil
deutsch, ca. 248 Wörter

 

 Aus dem Bundesverwaltungsgericht go to top

 

Jurius
BVGer – Das Bundesverwaltungsgericht rügt das Bundesamt für Migration (BFM) für sein vorschnelles Vorgehen bei Wegweisungen von Asylsuchenden. Künftig dürfen Asylsuchende nach einem Nichteintretensentscheid nicht mehr sofort in einen Dublin-Staaten überstellt werden. (Urteil E-5841/2009)
Rechtsgebiete: Ausländer- und Asylrecht
deutsch, ca. 441 Wörter


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 Push-Fenster go to top


In der letzten Woche wurde im digitalen  Rechtsprechungs-Kommentar folgender Beitrag publiziert
Siegenthaler Thomas, Vergütung nach Einheitspreisen gestützt auf Art. 374 OR? (Kommentar von Urteil A4_465/2009 vom 09.11.2009)
Die Volltexte der Kommentare finden Sie (passwortgeschützt) im Push-Service Entscheide («Kommentare»). Die Autoren- und Redaktionsteams finden Sie hier.

 

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 Pressemitteilungen go to top

 

Jurius
Bund und Kantone sollen nicht die Möglichkeit erhalten, säumige Steuerzahler mit dem Entzug des Führerausweises unter Druck zu setzen. Der Bundesrat hält nichts von dieser Idee des Glarner BDP-Nationalrats Martin Landolt und beantragt die Ablehnung seines Vorstosses.
Rechtsgebiete: Steuerrecht
deutsch, ca. 163 Wörter


Jurius
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eröffnet die Anhörung zu einer Gesetzesänderung, welche den Nutzerinnen und Nutzern von digitalem Fernsehen den Einsatz einer frei wählbaren Set-Top-Box erlaubt. Die interessierten Kreise können ihre Stellungnahmen bis zum 10. Mai 2010 beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) einreichen.
Rechtsgebiete: Wettbewerbsrecht
deutsch, ca. 224 Wörter


Jurius
Die dritte Ausländergeneration soll erleichtert eingebürgert werden können. Der von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) in die Vernehmlassung geschickte Entwurf zur Änderung der Bundesverfassung und des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) erntet Zustimmung. Mit Ausnahme der SVP befürworten die grossen Parteien das Projekt. In der gleichen Konstellation scheiterte 2004 ein ähnliches Vorhaben vor dem Volk.
Rechtsgebiete: Staatsangehörigkeit. Bürgerrecht
deutsch, ca. 336 Wörter


Jurius
Beruft sich der Bundesrat in ausserordentlichen Krisenlagen aufs Notrecht, soll er die Entscheide in Zukunft rascher durchs Parlament absegnen lassen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) will die Notrechts-Befugnisse des Bundesrats aber nicht zu stark einschränken.
Rechtsgebiete: Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand
deutsch, ca. 405 Wörter


Jurius
Der Streit um die Informatikaufrüstung beim Bund geht in eine weitere Runde: Nachdem sich der Bund wegen der Vergabe des Auftrags an Microsoft bereits mit Anbietern von Open Source Software (OSS) in die Haare geriet, droht nun auch intern Ungemach. Vier Departemente wollen von Windows Vista nichts mehr wissen.
Rechtsgebiete: Vergaberecht
deutsch, ca. 332 Wörter


Jurius
Der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) hat mit Bekanntmachung per 2. Februar 2010 die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» bedingt zurückgezogen. Dies geschah zu Gunsten des von den Räten am 11. Dezember 2009 angenommenen indirekten Gegenvorschlags «Schutz und Nutzung der Gewässer». Dieser fördert die Revitalisierungen der Gewässer und reduziert die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung stark.
Rechtsgebiete: Politische Rechte
deutsch, ca. 321 Wörter

 


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Die Ausgabe 2010/1 der Schweizer Richterzeitung erscheint am 24. Februar 2010. Sie beinhaltet unter anderem die folgenden Beiträge:

  • Katrin Marti, Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung.
  • André Kuhn / Joëlle Vuille, Quelques facteurs objectifs influençant la décision judiciaire.
  • Eric Mazurczak, Bestellung des Spruchkörpers am Zürcher Handelsgericht.

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Weitere Informationen: daniel.huerlimann@weblaw.ch, T +41 31 380 57 77.
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Ein Gesamtschweizerischer Zugang

  • Alle relevanten Entscheide des Bundesgerichts ab 1975.
  • Alle Entscheide des EJPD zum Zuständigkeitsgesetz (ZUG) vom 1.1.2000 bis 31.12.2007.
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Jusletter 22. Februar 2010

Lukas Bühlmann / Martin Schirmbacher, Preiswerbung im E-Commerce zwischen der Schweiz und Deutschland
Regina E. Aebi-Müller, Säulen 3a und 3b in der Scheidung
Christian Staub, 1991 – Die erworbenen Rechte Kosovos
Vincent Latapie, Traitement thérapeutique institutionnel des troubles mentaux en milieu pénitentiaire
Roland Pfäffli / Daniela Byland, Aktuelles aus dem Bundesgericht: Zur Löschung eines Notwegrechts im Grundbuch
Hinweis: Die Vorschau weist jeweils auf einige in der nächsten Ausgabe erscheinende Beiträge hin. Änderungen bleiben vorbehalten.

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